Middle Miles in Prag ____________________________

Prag: mit rasantem Tempo fuhr eine schwarze Limousine die Allee entlang, am Hotel International hielt sie am Eingang, der mit roten Fahnen geschmückt war. Sicherheitskräfte öffneten die Tür und der Hotelchef eilte die breiten Stufen hinab, um Josef Wissarionowitsch Stalin zu begrüßen. Abweisend drängte ihn der Generalsekretär der KPdSU zur Seite, ihn interessierte mehr der nach seinem Geschmack dekorierte Prachtbau, sein übergroß hängendes Portraitbild, das blumengeschmückt in der Eingangshalle hing. Schnell verschwand dann der Machthaber im Aufzug des Hotel’s, um in seiner privaten Suite im 14 Stock den Blick auf Prag zu werfen.

Begeistert waren die Prager oder Tschechen im allgemeinen nicht von der Kontrolle Väterchen Russlands, und wie es die Geschichte zeigte war die CSSR das erste Land, das mit Stolz und Opferbereitschaft dem Regime ein Ende setzte. Doch auch an diesem letzten Wochenende im Juli war das Hotel wieder mit Fahnen geschmückt, nicht der volle rote Ton, sondern eine eher von der Sonne gebleichte Version. Orange, die Farbe der so freiheitsliebenden Harley Davidson Enthusiasten. Im Foyer, das im kommunistischen Art Déco ausgeschmückt war, standen auf dem gebohnerten Edelmarmor die ausgerechnet aus Amerika kommenden Harley Davidson Motorräder. Ach ja, und statt der Hurra Rufe für Stalin gab es Klangproben der verschiedenen Harley Motoren per Knopfdruck. Beeindruckend, was das HOG Praha Chapter hier in kürzester Zeit an Dekoration auf die Beine gestellt hat. Nach dem einchecken nutzten wir die Zeit, um auch eine kleine Zeitreise durch die Geschichte des Chapters zu machen. In Fotoalben mit Schablonenschrift waren die ersten Ausflüge und Feiern dokumentiert. Patches und Pin’s bewiesen eine geniale Kunstfertigkeit und in großen Display Schränken wurden die Geschenke der Chapter ausgestellt. Was mich im besonderen Stolz machte, auch eine Schützenscheibe war zu sehen. Jetzt waren wieder Isartaler in Prag, leider waren nur vier HOGies der Einladung zu den Middle Miles gefolgt, bei denen wir auch tatsächlich die einzigen Deutschen waren. Als wir wieder die Hotel Lobby betraten hatte sich das Bild rasant geändert. Man trug Schwarz und Leder und man sprach vor allem Auswärts. Seit dem ersten Besuch der Praha Harley Day’s versuche ich Tschechisch im Selbststudium zu lernen, aber hier in der Lobby kam ich mir gerade vor wie zur Zeit des Turmbaus in Babel. Chapter aus Brno, Bratislava, Pilsen, Hradec Kralove,  Ostrava, Banska Bystrica und natürlich Prag gaben sich ein Stelldichein. Das kann ja lustig werden, waren meine Gedanken, da mein Hirn gerade auf sprachliche Panik schaltete und außer Ahoij, Dekuij, Prosim mir nix mehr einfiel.... Aber da kam schon Kamil, der Director vom Prag Chapter, und begrüßte uns freudestrahlend dass wir seiner Einladung gefolgt sind. Schnell klärte er uns über den Ablauf des Abends auf und ja, schon ging es in den wartenden Bus um zum Harley Dealer gebracht zu werden. Für uns war es mal wieder schön einen Harley Laden zu betreten.  Nach dem Einkauf und vor allem dem aufstocken des T-Vorrats rebellierte unser Magen, als wir all das lecker Essen sahen, das da aus dem Clubhaus des Prag Chapters auf die Terrasse gebracht wurde. Also fleißig mit Hand und Fuß bestellt. Das Pivo war erfrischend und schön mit Blume gezapft und alsbald kamen dann auch die Würstel und jetzt verstanden wir auch warum die guten Feen des Clubhauses uns keine Knödel zur Klobasse geben wollten. Na, jedenfalls geschmacklich nix Falsch gemacht, so dass es Fix eine zweite Runde gab. Zwischenzeitlich konnte ich mit Jarda, dem Sponsoring Dealer des Prag Chapters, die FB Freundschaft personalisieren und er zeigte sich mehr als dankbar über die Spendenhilfe, mit der wir sein Projekt der Ukraine Hilfe unterstützten. Abgeschlossen ist das Projekt noch lange nicht, wie die erleuchteten Fenster im ersten Stock des Harley Gebäudes bewiesen. Ja, im Schnitt leben 25 Frauen und Kinder hier, viele auch schon seit  dem Beginn des Krieges. Was ihn aber so Stolz macht sind all seine Kinder, plus der Adoptivkinder, für die er und seine Frau die Verantwortung übernahmen, als sie ohne Eltern in einer der zahlreichen Hilfsfahrten nach Prag gebracht wurden. Sie sind alle fleißig in der Schule und klar, situationsbeding verbringt man gemeinsam eine schöne Zeit auch mit vielen Freizeitaktionen. Das heißt aber auch, das Jarda und das Chapter weiterhin gerade stehen für die täglichen Kosten.  Denkt man dabei nur an die Verpflegung der 25 hungrigen Mäuler. Herzerweichend sein Dank und natürlich all die kleinen Anekdoten, die er und sein Chapter hier schon erlebt haben. Ach ja, die anfängliche Schüchternheit der Kinder gegenüber der schweren Jungs mit Lederwesten ist schon längst gewichen und oft wird gemeinsam getollt und gespielt. Nach der herzlichen Begrüßung weiterer Member, die wir noch vom letzten Jahr kannten, gingen wir zum gemütlichen Teil über. Marcel begann mit uns sein Trainingsprogramm, ein Stamperl Jacky für jeden Gast, und während alle andern den Freund der Biker mit Ex wegtranken nippten wir dran und liesen die Sache langsam angehen. 'Ihr seid wohl nicht im Training' meinte Marcel und achtete ab jetzt lachend darauf, dass unser Stamperl immer gut gefüllt war. Durch die Bank schöne Gespräche und neugierige Fragen an die Exoten der Middle Mile zeigten uns, dass wir angekommen sind. Der nächste Tag war nicht so toll, das Frühstück fand noch unter Regen statt der an die Scheiben prasselte. So gab es halt einen Kaffee mehr und man stellte sich mal darauf ein, zu Fuß die wundervolle Stadt Prag zu erkunden. Aber dann hatte Petrus ein Einsehen mit uns und schloss die Schleusen. Schnell war die Straße abgetrocknet und wir machten uns für die Parade bereit. Ach ja, zuvor musste ich noch meine Koffer leeren, hatte sich doch da drinnen ein sauberer Swimmingpool gebildet. Die Polizei war schon vor Ort, welche uns begleitete und gewährleistete, dass die Parade in einem Zug, wie ich dachte, durch die Stadt geht. Die Safety-Westen wurden an die Blocker ausgegeben und klar, so mancher  Biker wurde von seiner Liebsten noch aufgehübscht. Die Hotelgäste und viele Prager, die gerade des Wegs kamen, schossen zahlreiche Erinnerungsbilder und fast ängstlich gab es auch einzelne Selfies am Bike. Kamil und Hellboy erklommen die Freitreppe des Hotel’s und ja, jetzt gab es die Fahr- und Verhaltensregeln. Im perfekten Tschechisch verfolgte ich diese aufmerksam, aber nach dem Kamil fertig war nahm ich all meinen Mut zusammen und bat ihn, die Deutschen Idioten nicht dumm sterben zu lassen. Grinsend meinte er, reiht euch ein und habt viel Spaß. Was wir auch gerne taten. Ach ja, Spaß hatten wir auch, wir folgten brav, die Tachonadel ignorierend, den Bikern mit dem Blaulicht. Ich fragte mich zwar wie das so rechtlich zusammenhängt, wer wohl für gewisse Aufnahmen aufkommt, die Polizei, der Innenminister, oder… aber da waren wir schon aus der Stadt und mir dämmerte es, die Parade geht wohl über die Dörfer. Nun vorneweg, Matthias hatte sich nicht mit Kamil abgesprochen, was die breite der Straßen betrifft, das Schöne, die Autos sprangen freiwillig zur Seite als sie uns kommen sahen. In den Dörfern, Weilern und selbst an touristischen Punkten wurden die Handys gezückt um uns zu filmen, während die Kinder freudestrahlend winkten. Ein kurzer Stop vor der Karlsburg zeigte die gesamte Schönheit Tschechiens. Die sanft bewaldeten Hügel, die teilweise mit schroffen Felswänden durchbrochen sind, die wunderbaren Kurven, durch die die ca. 70 Maschinen große Gruppe wie eins fuhren. Begeisternd schön. Ach ja, Kamil vertraute mir noch ein nicht spruchreifes Geheimnis an. Die Karlsburg wird wohl die neue Chapter Zentrale. OK wow, träum weiter, weil wenn, wird das unser Domizil wenn wir in Prag sind. Jetzt hatte ich auch Zeit mir mal meine Mitfahrer genauer anzusehen. Überall lachende Gesichter und auch etliche LoH’s, die mit ihren Dickschiffen und guter Figur die Gruppe bereicherten. Dies merkte man auch am gebuchten Fotografen, der immer wieder am Wegesrand auftauchte, dass dies auch seine bevorzugten Motive waren, denn kaum wär ich an der Reihe gewesen sank die Kamera vom Auge weg. Wir erreichten wieder die Stadt, die Autos wie schon gesagt, wurden mit Blaulicht und Handzeichen des Seitenstreifens verwiesen und so erreichten wir in der geschlossenen Gruppe nach drei Stunden wieder das Hotel. Wobei, hier dachte ganz kurz der Trambahnführer er könnte seinen Fahrplan einhalten… Ne, ein forscher Blick der Polizei und die erhobene Hand ließ all seine Träume im Nu zerplatzen. Frisch gemacht, kurz was gegessen und schon begann das Hauptevent. Bikerspiele mit Spicker werfen (OK auch im Wind), das Ringwerfen mit ausgewachsenen Pneus und die Grundübung eines jeden Mechanikers, die leeren Ölflaschen aus 5m Entfernung in einen Mülleimer zu platzieren. Wir schlugen uns wacker, als Matthias mit großem Augenaufschlag von Hanny auf ein Bier eingeladen wurde. Klar, es waren noch ein paar weitere Gäste und jeder bekam auch sein Bier gereicht. Nur die Trinkgepflogenheiten waren etwas anders. Wer ist wohl der schnellste, war hier die Frage welche Hanny stellte. Tri, dva, jeden… los ging es. Unser Director schlug sich tapfer, aber als er sein Bierchen zur Hälfte geleert hatte gab es bereits Jubel und Umarmungen für den Sieger. Matthias war im Mittelfeld und das ohne Training, wie Marcel wohl anmerken würde. Als kleine Zugabe bewies der Sieger, dass auch alles mit rechten Dingen zugegangen ist als er seinen Siegestrunk mit der gleichen Geschwindigkeit trank. Die Mädels übrigens standen den Jungs in nichts hinten nach… also wir fangen mal das trainieren an. Marcel nutzte unsere Sprachlosigkeit und stellte uns weiteren Chaptern vor, klar gab es bei den Pilsnern die Frage der Fragen, bei der es um unser alles geliebtes Bier ging. Wir konnten uns geschickt herausreden, dass wir das wirklich nicht sagen können welches das bessere ist, da wir ja unser eigenes brauen. Was, wie, echt jetzt?… und ja, seid ihr nicht die mit den Fest in Deutschland?  Jetzt wurden die Fragen schon gezielter, wie weit ist das weg. Was für Programm, oh ja den Geiger kennen wir, hmmm nun wir dürfen mal gespannt sein was sich da für feierwütige auf die Reise machen. Offiziell wurde es nochmal nach den Spielen im großen Saal des Hotels. Es wurden die Kutten gerade gerichtet und klar gab es einen riesen Applaus als Dank für das Prag Chapter, als Kamil die Bühne betrat. Im perfekten Tschechisch begann er seine Rede…. Einzelne Chapter traten vor, als sich eine Unruhe im Saal bemerkbar machte, na jedenfalls waren plötzlich alle Blicke auf uns gerichtet und Kamils Sohn kam schon auf uns zu, packet mich am Arm und zog mich auf die Bühne. Hier überreichte mir Kamil die Erinnerungstrophäe der Middle Mile und schon sprang ich wieder elegant von der Bühne. Der Pokal für die beste Gruppe bei den Bikerspielen wechselte den Besitzer und danach kam die Hauptattraktion, das Buffet wurde eröffnet. Lecker, ob Bikerfood oder die böhmische Hausmannskost, wir genossen jeden Bissen und klar hatten wir noch etwas Platz für eine leckere Nachspeise. Langsam legte sich die Nacht über das Hotel International und mit Wehmut erkannten wir, dass dieses Wochenende in Prag leider schon wieder vorbei ist. Am nächsten Morgen gab es noch die große Verabschiedung, unfallfreie Heimfahrt und bis zum nächsten Mal. Das Prag Chapter dagegen freut sich schon mit uns auf den September, wenn vor den Praha Harley Day’s unser 2tes Freundschaftsschiessen stattfindet. Nun, dank der Begeisterung seiner Chaptermember ist die geplante große Überraschung keine mehr, ich behalte sie aber noch für mich und bin froh, das wir nun doch mit einer größeren Gruppe anreisen.

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